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Die Grundzüge sind festzuhalten 1):

Legislative, Exekutive und richterliche Gewalt sind nicht nur begrifflich zu trennende, voneinander verschiedene Formen der Regierungstätigkeit, sondern faktisch zu trennende Funktionen der Staatsautorität und verschiedenen (in der Rechtssprache >>physischen << oder »moralischen «) Personen oder Gruppen zu übertragen. Die Legislative wird von zwei Körperschaften mit gleichen Rechten ausgeübt. Die erste Kammer gehört einer erblichen Aristokratie, die zweite dem Volk, das durch erwählte Repräsentanten an der Gesetzgebung teilnimmt. Ein Privilegium der Volkskammer besteht in der Prärogative bei Finanzgesetzen. Beide Kammern wirken regulierend aufeinander und verbürgen so eine gleichmäßige und gründliche Gesetzgebung. Im Gegensatz zur Legislative, deren Vorzüge Stetigkeit und Bedachtsamkeit sein müssen, wird die Exekutive einem kleinen Kollegium, am besten einem einzelnen übertragen, da auf diesem Gebiet Schnelligkeit, Einheitlichkeit und Energie der Ausführung gefordert werden. Selbstverständlich gebührt diese Regierungsgewalt in der Monarchie einem König. Die Exekutive nimmt an den Debatten der Legislative nicht teil. Es mag zulässig sein, daß sie Gesetze vorschlägt, obschon das keineswegs ein ihr zukommendes Privilegium ist: »La puissance exécutrice ne faisant partie de la législative que par sa faculté d'empêcher, elle ne saurait entrer dans le débat des affaires. Il n'est pas même nécessaire qu'elle propose...« (XI, 6).

Von beiden Gewalten unbedingt zu trennen ist die richterliche Tätigkeit: »Le chef d'oeuvre de la législation est de savoir bien placer la puissance de juger; mais elle ne pouvait être plus mal que dans les mains de celui qui avait déjà la puissance exécutrice<< (XI, 11); und »quoique la puissance de juger ne doive être unie à aucune partie de la législative...« (XI, 6). Die wesentlichen Organe der richterlichen Gewalt sind die Schwurgcrichte; die Geschworenen werden vom Volk gewählt 2).

1) Sie finden sich im wesentlichen in XI, 6. Für eine eingehendere Darstellung s. F. Haagen, »Der Einfluß Montesquieus und Rousseaus auf die Kodifikation der französischen Verfassungen 1789 bis 1804«. Dissertation Greifswald, 1912.

2) Ein verwandter Gedanke tritt schon im römischen Staatsrecht auf. Mommsen nennt die Geschworeneninstitutionen »die fundamentale Ordnung der Republik, wie die älteste so die dauerndste Schranke des magistratischen Imperiums «. Die Einführung der Geschworenengerichte gelte den Römern als Anfang des sich selbst regierenden Gemeinwesens. Ihr Aufhören im 3. Jahrhundert n. Chr. bezeichne das Ende des Römerstaates (»Abriß...«, S. 247).

Die grundsätzliche Trennung dieser drei Gewalten ist die unbedingte Voraussetzung für jede gemäßigte Regierung, die dem Volke die Freiheit sichern will. Das wird mit aller Schärfe hervorgehoben: >>tout serait perdu, si le même homme ou le même corps des principaux ou des nobles ou du peuple exerçaient ces trois pouvoirs (XI, 6).

Ein harmonisches Zusammenarbeiten der drei Räder der Staatsmaschine kommt aber erst zustande, wenn für gewisse Verbindungsglieder gesorgt ist: die Legislative kontrolliert die Exekutive, »elle a droit.. d'examiner de quelles manières les lois qu'elle a faites ont été exécutées «, sofern die ausführenden Beamten, die Minister, jener Verantwortung schuldig sind und zur Rechenschaft gezogen werden können. Nur die Person des Monarchen ist unverantwortlich und unverletzlich. In die Strafverfolgung teilen sich beide Kammern, indem die zweite die Anklage erhebt und die erste urteilt. Letztere darf auch noch in zwei besondern Fällen auf das richterliche Gebiet übergreifen, nämlich um harte Urteilssprüche zu mildern (Begnadigungsrecht) und die eigenen Standesgenossen vor ihr Gericht zu ziehen.

Die Exekutive ihrerseits gewinnt durch das Veto die Möglichkeit einer Korrektur der Legislative. So nachdrücklich eine positive Mitwirkung der Exekutive an der Gesetzgebung ausgeschlossen wird (XI, 6: »Si le monarque prenait part à la législation par la faculté de statuer, il n'y aurait plus de liberté «), so entschieden wird das Veto als Mittel der Selbstbehauptung (pour se défendre) gefordert. Ohne dasselbe würde die Despotie der Legislative zur Tatsache; »si la puissance exécutrice n'a pas le droit d'arrêter les entreprises du corps législatif, celui-ci sera despotique« (XI, 6).

Für die richterliche Macht sind keine besonderen Verteidigungsmittel gegenüber den beiden andern Gewalten vorgesehen. Doch wird ihre Bedeutung und Unabhängigkeit nachdrücklich hervorgehoben.

Hiernach ist das Kriterium der freien Regierung mit einem Wort die Gewaltenteilung: »Je voudrais rechercher dans tous les gouvernements modérés que nous connaissons, quelle est la distribution des trois pouvoirs, et calculer par-là les degrés de liberté, dont chacun d'eux peut jouir « (XI, 20).

Die Teilung wird innerhalb der Legislative fortgesetzt und ergibt hier Adels- und Volkskammer. Die Exekutive bleibt demgegenüber einheitlich in der Hand des Monarchen. Die richter

Der englische Staatsmann erblickt in »fair trial by Jury perhaps the soul of government « (nach Carlyle, »on Heroes...«, S. 195). Knust, Montesquieu.

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liche Gewalt nimmt allerdings nicht gleichen aktiven Anteil am Staatsregiment wie die beiden andern. Ihr wesentliches Kriterium ist nicht Macht, sondern Unabhängigkeit. Die verleihen ihr die Schwurgerichte, eine Institution des Volks und ein Palladium der Volksfreiheit.

Nur bei der Gewaltenteilung wird durch gegenseitige Kontrolle der Einzelfaktoren Mißbrauch der Gewalt vermieden, ohne daß durch Widerstreit der Teilgewalten eine einheitliche Führung der Regierung verhindert wird. Dafür sorgen, wie erwähnt, gewisse Zwischenglieder der drei Faktoren Legislative, Exekutive und Jurisdiktion. Die wesentlichen sind das Veto der Exekutive und die Verantwortlichkeit der Ratgeber des Monarchen. Die Schwurgerichte, an der eigentlichen Regierung oder aktiven Politik unbeteiligt, bedürfen keiner weiteren Sicherungen. Sie erfahren nur gewisse Einschränkungen durch die Privilegien der Adelskammer (Recht der Strafmilderung, Jurisdiktion über die Standesgenossen).

Die Grundgedanken Montesquieuscher Staatsweisheit sind also: Eine absolut beste Staatsform gibt es nicht, wenigstens nicht für alle Verhältnisse und Zeiten. Das schließt nicht aus, die Verfassungen an und für sich höher oder geringer einzuschätzen. Weise Mäßigung in der Gewalt und Toleranz sind hohe Ideale für jede Regierung. Auf diesem Boden allein kann das hohe Gut der politischen Freiheit erwachsen. Für die Verwirklichung derselben sind ganz bestimmte konkrete Verfassungsgrundsätze und Einrichtungen erforderlich. An diese bleibt, unabhängig von jeder nationalen und geographischen Eigenart, die Freiheit gebunden. Das beherrschende Prinzip einer solchen Verfassung mit dem Ziel der Freiheit ist die Gewaltenteilung. Hier liegt der Zentralpunkt des ganzen Systems: Wahre politische Freiheit nur durch Gewaltenteilung.

Nun erhebt sich noch ein Bedenken. Die Gewaltenteilung als Kriterium der freien Regierung ist über jeden Zweifel festgestellt. Sind aber alle im Beispiel Englands gegebenen Momente der Durchführung gleich notwendig? Die Natur dieser Darstellung, die Veranschaulichung einer Theorie durch ein geschichtliches Beispiel, widerspricht dem und nötigt weiter zu der Frage: Was ist bloße, durch das konkrete Beispiel bedingte Einkleidung, individuell, also nicht allgemein gültig? was allein bleibend und wesentlich? Montesquieu überläßt diesen Schluß dem Leser.

Damit begibt sich unsere Darstellung auf den Boden der Kritik. Die gestellte Frage findet innerhalb dieser ihre Beantwortung.

b) Kritik.

I. Die allgemeinen Ideen im Urteil der Literatur.

Bei der Kritik sind die geschichts- und rechtsphilosophischen, sowie die allgemein politischen Ideen von der positiven Verfassungstheorie zu trennen. Es handelt sich also zuerst um den Gelehrten und Forscher, bevor auf das Werk des praktischen Politikers eingegangen wird. Das Lob des ersteren ist nahezu einhellig, wenn auch der Nachdruck bald auf diese, bald auf jene Seite der Montesquieuschen Ideengänge gelegt wird. Die Mannigfaltigkeit der Lobsprüche und Charakterisierungen beweist die Vielseitigkeit und den Reichtum Montesqieus. R. v. Mohl und Buchez stellen ihn Aristoteles zur Seite. Jener sagt (Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. 1858. III,

S. 386 ff.): »Das Werk (Geist der Gesetze) ist für den Rechtsstaat beinahe von derselben Bedeutung, wie es Aristoteles' »Politik<«< für den klassischen Staat war und ist«. Nach Koch (»Montesquieus Verfassungstheorie... « S. 38) meint Buchez von Montesquieu, »er habe die moderne Politik begründet wie Aristoteles die al e«. Bluntschli weist den wissenschaftlichen Fortschritt Montesquieus über Aristoteles hinaus nach (Allgemeines Staatsrecht I, S. 376). Hegel sieht in ihm den Bahnbrecher für »>den echt philosophischen Standpunkt « und nennt den >>Geist der Gesetze << ein »>unsterbliches Werk« (bei H. Trescher, S. 472). Stahl spricht Montesquieus Verdiensten für sein System der Staatskunst unsterblichen Ruhm zu (»Geschichte der Rechtsphilosophie << I, S. 346 ff.). Walcker feiert ihn als Polyhistor und politischen Propheten (»Montes quieu als Polyhistor «), und Brie rühmt ihn als den Vorläufer nationaler Rechtswissenschaft und der historischen Rechtsschule (in Treitschkes Preußischen Jahrbüchern, 1867, XIX, S. 374). E. Bernheim stellt fest (»>Lehrbuch der historischen Methode«, S. 525), »daß der eigentliche Anstoß zur Entstehung der modernen Geschichtsphilosophie « nächst von Rousseau von Montesquieu ausging. Manche heben als besonderes Verdienst die Anwendung einer neuen Methode hervor. Sorel bezeichnet diese als das Beste der Leistungen Montesquieus. Gumplowicz (»Geschichte der Staatstheorien «) rühmt die Anwendung der induktiven Methode auf staatsrechtlichem Gebiet. Brie nennt ihn den Schöpfer der neuen pragmatischen Geschichtsbetrachtung. Nach E. Bernheim (S. 164) gab Montesquieu ein weindrucksvolles methodisches Beispiel « der Vergleichung und genetischen Geschichtsauffassung. Hübner, »Die Staatsform der Republik «<, S. 61, betont, daß Montesquieu »der Welt als erster das

Verständnis für die geschichtliche Entwicklung und die politische Bedeutung der Repräsentativ-Verfassung « erschloß. Hildegard Trescher zeigt in einem Aufsatze in Schmollers Jahrbuch (1918, Bd. 42), wie Montesquieu für die Entwicklung des historischen und politischen Denkens bahnbrechend wurde (S. 267), und nennt den >>Geist der Gesetze « »ein Lehrbuch der Regierungskunst << (S. 281). Sie spricht Montesquieu einen starken Einfluß auf die spätere Geschichts- und Staatsphilosophie, insbesondere auf Hegel zu. Doch glaubt sie in Montesquieu einen Dualismus der Weltanschauung nachgewiesen zu haben, indem sie die Ideen vom Macht- und Rechtsstaat oder die zentralistische und liberale Idee oder auch die rationalistische und historische Betrachtungsweise einander gegenüberstellt. Montesquieu soll sogar in gewissem Sinne der geistige Vater des modernen Konservativismus und Liberalismus sein (S. 942). Demgegenüber muß bemerkt werden, daß allerdings Montesquieu kein Vertreter einer streng einheitlichen Weltanschauung von dem entschiedenen Typus ist, wie er in der Theorie entwickelt wird, wie er sich aber mehr in der Abstraktion findet als in der Vielgestaltigkeit des Lebens. Er war kein Systematiker und hat außerdem am »Geist der Gesetze< 20 Jahre hindurch gearbeitet. Durch Anwendung moderner Kategorien auf ihn wird leicht der lebendigen Persönlichkeit eines Mannes, der mitten im Strom des Lebens stand, und dem Geist einer Zeit, die zwei Jahrhunderte zurückliegt, Zwang angetan. H. Trescher zitiert das Wort (XXX, 14): »transporter dans des siècles reculés toutes les idées du siècle où l'on vit, c'est des sources de l'erreur celle qui est la plus féconde«. Sie hat nicht ganz diesen Fehler vermieden. Wenn Montesquieu Vernunft und Erfahrung (Geschichte) gelten läßt, nicht nur das eine oder das andere, so befähigte ihn dieser »Dualismus « gerade zum politischen Schriftsteller, der praktische Ratschläge geben konnte. Wohl ist das Weltbild Hegels, wie auch H. Trescher zeigt, dem Montesquieus an Geschlossenheit weit überlegen. Trotzdem oder vielmehr deswegen (wenigstens teilweise) gelangte Hegel zu Konstruktionen der Geschichte und Politik, die dem praktischen Staatsmann nichts Greifbares boten; dieser benutzt nicht Hegel, geht aber oft über ihn weit hinaus auf Montesquieu zurück.

Ein klassisches Beispiel für eine einseitige Auffassung der Persönlichkeit Montesquieus, aber zugleich für dessen Vielseitigkeit, gibt Klemperer in seinem Werk »>Montesquieu «. Er weist auf die Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der Meinungen hin. So zählt er auf, wie Montesquieu als Politiker, als Jurist, Philosoph, Gottesleugner, Plagiator, Revolutionär, Reaktionär dargestellt ist, und führt die Reihe bis zum Dutzend fort.

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