Imágenes de páginas
PDF
EPUB

keine besondere Regierungsart gebunden ist. Auch »la démocratie et l'aristocratie ne sont point des états libres par leur nature « (XI, 4). Die Voraussetzung jeder weisen Regierung, mag sie monarchisch oder republikanisch organisiert sein, ist das Maßhalten auf allen Gebieten staatlicher Tätigkeit: »Je le dis et il me semble que je n'ai fait cet ouvrage que pour le prouver: l'esprit de modération doit être celui du législateur; le bien politique comme le bien moral se trouve toujours entre deux limites« (XXIX, 11). Das ist einer der Kernsätze Montesquieus, der seine gesamte Weltanschauung durchdringt. »Il ne faut pas mener les hommes par les vois extrêmes; on doit être ménager des moyens que la nature nous donne pour les conduire « (V, 12). Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet Montesquieu die Geschichte: »Le projet d'Alexandre ne réussit que parce qu'il était sensé« (X, 13). Was gesund und kräftig ist, setzt sich durch; wo Form und Inhalt, Prinzip und Darstellung, Zweck und Mittel harmonisch einander angemessen sind, da herrscht ein naturgemäßer und somit guter Zustand. Jede Verletzung der Harmonie gefährdet ihn. Darum predigt Montesquieu überall: sei maßvoll! Laß Vernunft und Natur dabei deine Leitsterne sein! »>La nature est juste envers les hommes« (XIII, 2). »>Les connaissances rendent les hommes doux, la raison porte à l'humanité « (XV, 3). Selbst ein Übermaß von Tugend und Vernunft ist nicht zu wünschen: »...l'excès même de la raison n'est pas désirable« (XI, 6). »La vertu même a besoin de limites<< (XI, 4). So ist freilich die Idee der Gleichheit das wirksame Element der Demokratie. Aber ein Übermaß von Gleichheit schlägt ins Gegenteil um: »Le principe de la démocratie se corrupte, non seulement lorsqu'on perd l'esprit de l'égalité, mais encore quand on prend l'esprit de l'égalité extrême« (VIII, 2).

Aus dieser Sinnesart des Schriftstellers, gestärkt durch eine bestimmte philosophische Grundanschauung, geht notwendig ein Geist unbedingter Duldsamkeit hervor, auf staatsrechtlichem und allgemein politischem wie auf religiösem Gebiet. Das Axiom der praktischen Lebensphilosophie Montesquieus, das Maßhalten, gegründet auf Natur und Vernunft 2), führt in der staatsrechtlichen Sphäre zu notwendiger Rücksichtnahme auf die nationale Eigenart jedes Volkes. Damit mündet der Ideengang wieder in

1) Je le dirai toujours, c'est la modération qui gouverne les hommes, et non pas les excès (XXII, 22).

2) Die Freiheit des Menschen, besonders des Gesetzgebers, die sich hauptsächlich in der Vernunft offenbart, behauptet allerdings nur den zweiten Platz gegenüber der sich in der Natur manifestierenden Notwendigkeit, »les raisons humaines sont toujours subordonnées à cette cause suprême «, d. i. der Natur (XVI, 2).

den allgemeinen obersten Grundsatz ein, von dem er ausging (vgl. S. 5/6): »Le gouvernement le plus conforme à la nature est celui dont la disposition particulière se rapporte mieux à la disposition du peuple pour lequel il est établi«. Was besteht und sich behauptet, erweist sich zuletzt als gut und vernünftig. Man hüte sich also vor Schablone und Unduldsamkeit und sei maßvoll und tolerant.

II. Die besondere Staatstheorie.

So allgemein gehaltene Ideen können nun wohl das Staatsrecht befruchten, aber schwerlich zu konkreten Formen und Einrichtungen führen, die einer Verfassung ein charakteristisches Gepräge geben. Mit dem Prinzip der Mäßigung und Duldung kann kein fester Plan für einen Verfassungsbau entworfen werden. Der Grundsatz der weitgehenden Abhängigkeit von dem Land und seinen Bewohnern führt vielmehr zu einer Relativität des Maßstabes, die jeden Gedanken an eine an sich wertvolle Verfassung auszuschließen scheint. Man müßte es danach grundsätzlich unterlassen, Einrichtungen anderer Nationen zu entlehnen; denn die Verfassung hat allein aus dem eigenen Volkstum herauszuwachsen. Nur bei ganz gleichen Bedingungen wären Nachahmungen möglich, ein Fall, der streng genommen nie eintritt. Indessen ist Montesquieu über seine vorsichtige Zurückhaltung hinausgegangen und hat seine Vorliebe für eine konkrete Verfassungsform bekundet. Das widerspricht nicht seinem obersten Grundsatz von der notwendigen nationalen und physischen Bedingtheit einer Verfassung. Gewiß ist gerade diese oder jene Verfassung für dies oder jenes Land die beste; aber vielleicht nur darum, weil es für eine wertvollere nicht reif ist. Die recht gewählten Verfassungen müssen der jedesmalige Ausdruck der Kulturstufe eines Landes sein 1). So könnte man in einem bestimmten Falle die Verfassung eines Landes gutheißen, aber bedauern, daß die Bedingungen für eine bessere Staatsform nicht gegeben sind. Montesquieu, eine Persönlichkeit von ausgeprägter Eigenart und einer festen Weltanschauung, hat natürlich mit seiner Bevorzugung einer bestimmten Verfassung nicht zurück

1) Kant glaubte, daß sich im Verfassungsleben der Fortschritt des Menschengeschlechts offenbare.

Mommsen (»Römische Geschichte II, S. 452) erklärt anderseits die Absicht des Polybios, »aus der Vortrefflichkeit der Verfassung die Erfolge Roms abzuleiten «, für »törichte politische Spekulation <<.

Ähnlich wie Kant die gesamte idealphilosophische Geschichtsbetrachtung (vgl. Bernheim, »Geschichtsforschung...« 1880, S. 25ff.).

halten können. Die Grundsätze der Mäßigung und Duldung führen ihn zum Ideal einer Regierung, die sich unnötiger Eingriffe in d die Rechte der Persönlichkeit enthält, Willkür und Mißbrauch der Gewalt vermeidet, duldet, was nicht den Interessen anderer und des Staatsganzen widerstreitet, und einen gesetzlichen Rahmen schafft, innerhalb dessen freie Betätigung erlaubt ist. Nicht Laune und Willkür, nicht Herrschsucht und Zuchtlosigkeit triumphieren, sondern die Gesetze haben zu sprechen. Das ist der Sinn seiner Äußerungen und vielfachen Definitionen auf diesem Gebiet. Er sucht den viel mißbrauchten Freiheitsbegriff gegen Mißdeutung zu schützen: »..chacun a appelé liberté le gouvernement qui était conforme à ses coutumes ou à ses inclinations << (XI, 2). »On a confondu le pouvoir du peuple avec la liberté du peuple«. »>La liberté est le droit de faire tout ce que les lois permettent, et si un citoyen pouvait faire ce qu'elles défendent, il n'y aurait plus de liberté, parce que les autres auraient tout de même ce pouvoir« (XI, 3). »>Une constitution peut être telle que prsonne ne sera contraint de faire les choses auxquelles la loi ne l'oblige pas, et à ne pas faire celles que la loi lui permet << (XI, 4). Es ist im allgemeinen der Standpunkt des Liberalismus oder auch die Idee des Rechtsstaates. Um den vollen Wert der Forderung strenger Gesetzlichkeit zu würdigen, muß man wiedeл erwägen, daß die gesamten Gesetze nur Ausdruck des Nationalgeistes (esprit général), somit auch des Nationalwillens (volonté générale) sein sollen.

Das ist Montesquieus Ideal der politischen Freiheit1). Wie gelangt Montesquieu von seinen allgemeinen philosophisch-politischen Anschauungen zum Freiheitsbegriff? Er betrachtet das Schicksal des Einzellebens und das Weltgeschehen als Resultat des Ineinandergreifens von Notwendigkeit und Freiheit, wofür er die konkreten Faktoren: Natur und Vernunft, einzusetzen pflegt. Der Notwendigkeit räumt er einen gewaltigen Anteil an der Weltentwicklung ein, und manchmal scheint es, als ob dabei für die menschliche Freiheit kaum noch Platz ist. Es scheint aber nur so; denn sobald er sich praktischen Fragen zuwendet, tritt er um so nachdrücklicher für den starken Einfluß des Menschen selbst auf die Geschicke der Völker ein. Die Gesetzgeber, dank dem überlegenen Intellekt und der Einsicht in das Wesen der Gesetzgebung, werden zu Führern. Das Re

1) Auch nach Hegel werden im Staat Notwendigkeit und Freiheit versöhnt. So macht er die Entwicklung der politischen Freiheit zum Kriterium des geschichtlichen Fortschritts « (s. Bernheim, »Geschichtsforschung...«, 1880, S. 35 ff.).

sultat ihres Scharfsinns, die Konstitution, entscheidet über das Geschick und Glück der Völker. Man wirft Montesquieu sogar vor, die Bedeutung gesetzgeberischer Maßnahmen überschätzt und dadurch die phantastischen Erwartungen vieler »Gesetzesmacher<< begünstigt zu haben 1). Diese Torheiten sind nicht seine Schuld, sondern die der Oberflächlichkeit mancher Politiker, die in ihrem Gesetzgebungseifer die starke Gebundenheit aller menschlichen Tätigkeit an physische Bedingungen, die von Montesquieu so nachdrücklich betont wird, übersahen.

Wenn Montesquieu die Merkmale der politischen Freiheit gerade an einer Monarchie veranschaulichte, vorher aber das Prinzip der »>freien Regierung«, d. i. das Prinzip der Tugend, in der Republik verwirklicht sah, so ist dieser Widerspruch nur ein äußerer, hervorgerufen durch Schwankungen in der Terminologie. Der Begriff »Republik« wird von Montesquieu nicht überall gleichbedeutend gebraucht. Auch das Deutsche Reich hat er eine Republik genannt (IX, 1). In den ersten Büchern schließt er sich an die Aristotelische Terminologie an; später tritt an Stelle des mehr äußeren Gegensatzes von Republik und Monarchie ein solcher von freien und unfreien Staaten. Das Prinzip der Republik, »die Tugend«, gilt für die »freie Regierung« überhaupt.

Wie verhalten sich Tugend und Freiheit? Jene ist das dynamische Prinzip des freien Staates, diese ein erstrebenswerter Zustand, das Resultat staatlicher Maßnahmen, das nur erreicht wird, wenn die durch die Gesetze gewährte Freiheit getragen ist von der politischen Tugend der Staatsbürger, die sich in williger Einfügung in die Erfordernisse der staatlichen Gemeinschaft offenbart und durch verständnisvolle und hingebende Mitarbeit am Regiment Anteil nimmt. Notwendigkeit und Freiheit im Universum wiederholen sich so in der wichtigsten menschlichen Gemeinschaft, dem Staat. An die Stelle der absoluten Notwendigkeit tritt hier aber der von Menschen gesetzte staatliche Zwang, ein Sollen statt eines Müssens. Von der Beschaffenheit des von Menschenhänden errichteten staatlichen Baus hängt das Maß der Freiheit ab, das sie gewähren darf und tatsächlich gewährt. Vorbedingung für eine solche Organisation ist die politische Tugend. Freiheit und Tugend stehen also zunächst in ursächlichem Zusammenhang, der dann zu einer wohltätigen Wechselwirkung wird.

1) Lanson, S. 715: »Et notre réalisme ne peut s'empêcher d'en vouloir à Montesquieu d'avoir créé l'illusion de tous ces faiseurs de constitutions, qui croient changer le monde par des articles de loi«.

Montesquieu will also weder den schrankenlosen Staatsabsolutismus oder den >>Machtstaat« noch Willkür des Individuums, sondern eine Versöhnung individueller und sozialstaatlicher Interessen. Er opfert nicht den einzelnen dem Staat und nicht den Staat dem einzelnen auf. Diese Harmonie der Individual- und Kollektivinteressen glaubt er in einer besonderen Staatsform zu erblicken, zu deren Veranschaulichung er nunmehr übergeht.

Hier verläßt er den objektiven Standpunkt des Historikers und Staatstheoretikers und wird zum Vertreter einer politischen Idee und zum praktischen Politiker, der in erster Linie seinem Lande, dann aber der ganzen Menschheit ein Programm des staatlichen Aufbaues bietet. Nach seiner Eigenart tut er das nicht in abstrakten Erörterungen, sondern durch ein Beispiel. Ein solches bietet England. Wie das Prinzip Roms die Vergrößerung, der Krieg dasjenige Spartas war (XI, 5), so ist es für England die Freiheit: »Il y a aussi une nation dans le monde qui a pour objet direct de sa constitution la liberté politique«. Wenn die Bestimmungen dieser Verfassung bei näherer Prüfung sich als gut erweisen, wird man die Bedingungen der Freiheit kennen. »>La liberté y paraîtra comme dans un miroir «<. Wozu also viel suchen danach ? »Si on peut la voir où elle est, si on l'a trouvée, pourquoi chercher ?«< Harrington ging ins Reich der Utopie, als er die Oceana schrieb. »Il a bâti Chalcédoine, ayant le rivage de Byzance devant les yeux« (XI, 6). In England sei in positiven Verfassungsbestimmungen das große Problem gelöst: wie wird einem Lande die politische Freiheit verbürgt? Man hat also nur die politischen Zustände Englands zu untersuchen, die entscheidenden Züge festzustellen und gewinnt dadurch bestimmte Grundsätze, die in keiner Verfassung fehlen dürfen, wenn diese die politische Freiheit garantieren will.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die berühmte Schilderung der staatsrechtlichen Verhältnisse Englands (XI, 6) zu verstehen. Sie will keine erschöpfende Darstellung sein, sondern das Typische festhalten. Dabei ist zu beachten, daß wir hier offenbar keine historische und staatsrechtliche Untersuchung vorhandener Verhältnisse von wissenschaftlicher Exaktheit vor uns haben, sondern eine neue und kühne Staatstheorie im Gewande eines Beispiels1).

1) Montesquieu wurde auf das Beispiel Englands geführt, weil er dort die erforderliche Übereinstimmung zwischen Staatsordnung und Nationalcharakter, der natürlich physisch bedingt ist, zu finden glaubte : Je dis que les mœurs et les manières de cette nation devraient avoir un grand rapport à ses lois« (XIX, 27).

« AnteriorContinuar »